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AbbildungKatalog Bühner MR 1985, S.179

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Achse des Mondänen - Leserbrief zum Artikel
An die Gießener Allgemeine (Nicht Veröffentlicht)

2023, 15.01.

Leserbrief zum Artikel: Gießens „Achse des Mondänen“ (31.12.2022), Teil1.

Der Autor des Leserbriefs war ratlos. Es galt an zwei wichtige historische Ereignisse öffentlich zu erinnern. Es fehlte jedoch die Idee, auf welchem Weg das geschehen konnte. Da erschien am 31.12.2022 in der Gießener Allgemeinen ein Artikel über Gießens „Achse des Mondänen“. Über ein neues Stadtführungsprojekt, das die Gegend um das Hotel Steinsgarten besonders würdigen will.

Im 19. Jh. hieß dieser Ort „Buschischer Garten“ und eben um diesen Ort ging es bei den zwei Erinnerungsdaten. Um das Leserbriefformat nicht zu sprengen wird im dem heutigen 1. Teil des Leserbriefes an ein Ereignis am 10.Jan.1834 gedacht, in einem späteren 2. Teil wird an ein Ereignis am 28.02 1848 und die 48er Revolution vor 175 Jahren gedacht.

Teil 1: Ein Ball zu Ehren des frisch vermählten Kronprinzen Ludwig am 10. Jan. 1834.

Am 26. 12. 1833 hatte der hessische Erbherzog Ludwig in München die bayerische Prinzessin Mathilde geheiratet. Bei der Rückreise betrat das Paar am 09.01.1834 hessischen Boden und am 10.01.34 begannen in Darmstadt vielfältige Festlichkeiten zum Einzug des Paares in die Residenz.

Aber auch in anderen Orten des Großherzogtums wurde dieser Einzug in die Darmstadter Residenz gefeiert, so auch in Gießen. Eine zeitgenössische Chronik der Festlichkeiten schildert u.a. wie hier in Gießen gefeiert wurde, „wodurch sich die unerschütterliche Treue und Anhänglichkeit an das angestammte allverehrte Regentenhaus… beurkundete“. Am 10. Jan. wurde zunächst „durch eine wohlbesetzte Musik auf dem Stadtkirchen-Thurme die Aufmerksamkeit der Einwohner auf des Festes frohe Feier hingelenkt. Abends um 7 Uhr“ versammelte sich eine ungewöhnlich zahlreiche Gesellschaft (7-800, bei einer Gesamteinwohnerzahl von 7000!) von Herren und Damen aus allen Ständen und Klassen auf eine höchst einträchtige Weise im Buschischen Garten“ .

Der großherzogliche Bürgermeister Silbereisen eröffnete in Anwesenheit von weiß gekleideten Mädchen vor einem Altar mit einem Opferfeuer den Ball. Büchner hat später für sein Lustspiel Leonce und Lena einige Motive der zeitgenössischen Berichterstatter kreativ verwendet. Die „Lebehoch!“ Silbereisens auf die hohen Neuvermählten und den Großherzog im Buschischen Garten werden zu Vi: Vi!, Vat: Vat!, Vivat!-Übungen der Bauern im Lustspiel bei Büchner und sie gelten König Peter vom Reiche Popo und seinem Sohn Leonce sowie Prinzessin Lena vom Reiche Pipi (Bayern). Büchner: „Von den 12 Unschuldigen ist keine, die nicht das horizontale Verhalten dem senkrechten vorzüge. Sie sehen in ihren weißen Kleidchen aus wie erschöpfte Seidenhasen und der Hofpoet grunzt um sie herum…“

Wir sind also in diesen Januartagen vor 189 Jahren mittendrin im Buschischen Garten und in der Weltliteratur. Und Büchner ist auch nicht weit weg. Er war vermutlich um den 5./6. Jan. 1834 von Darmstadt an seinen Studienort Gießen zurückgekehrt, wohnte jetzt im Seltersweg beim Rentamtmann Bot (Nähe H&M, keine 500 Meter vom Buschischen Garten entfernt). An diesem Abend nervten ihn vielleicht die vielhundertfachen dreifachen „LebeHoch!“ der extatischen Gießnerinnen und Gießener, die bis in den Seltersweg zu hören waren.

Er machte sich daran, dem absolutistischen Spektakel im Buschischen Garten neben der erst 1836 geshriebenen bitteren satirischen Antwort in Leonce und Lena, direkt eine radikale politische Antwort zu geben. Im Seltersweg entstand in den ersten Wochen des Jahres 1834 die erste Fassung der Flugschrift „Der Hessische Landbote“ mit dem Motto „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“.

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