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Schl.2004 - Gießen und der Bombenkrieg - Eine Einordnung. S.3
psb 2004

Text: Gießen und der Bombenkrieg


Im Laufe von über 30 Luftangriffen - die wesentlichen Angriffe fanden im Dezember 1944 statt - wurde Gießen zu ca. 70 Prozent zerstört: von rund 5.000 Gebäuden erlitten dabei 4.000 mehr oder weniger starke Beschädigungen. Mehr als 800 Menschen wurden Opfer der Luftangriffe. Was aus lokalgeschichtlicher Perspektive unvergleichlich erscheint, sollte jedoch in das allgemeine Geschehen eingeordnet werden und vor dem Hintergrund der Vorgeschichte betrachtet werden.

Am Tag des Hauptangriffs auf Gießen, das von 247 Bombern angegriffen wurde, waren über 1.000 weitere Bomber unterwegs zu anderen Zielen in Deutschland. Die ca. 1.200 t Bomben, die bei diesem Einsatz auf Gießen abgeworfen wurden, stellen vor dem Hintergrund von 650.000 t Bomben, die im Jahr 1944 von alliierten Bombern abgeworfen wurden, eine verschwindend geringe Menge dar.
Die ersten vereinzelten Angriffe auf Gießen begannen Anfang 1944. Bis zum November 1944 war die Belastung der Bevölkerung durch dauernde Fliegeralarme zwar hoch, es fanden jedoch keine massiven Luftangriffe auf die Stadt statt.
Zu diesem Zeitpunkt waren seit den ersten Bombenangriffen auf deutsche Städte schon über vier Jahre vergangen. Diese ersten Angriffe im Mai 1940 waren die Antwort auf den deutschen Überfall auf die neutralen Staaten Belgien, Niederlande und Luxemburg am 10. Mai 1940.

Dem vorausgegangen war der deutschen Überfall auf Polen am 1.9.1939, mit massiven Bombenangriffen auf Warschau und andere polnische Städte.


Nicht zu vergessen ist die schon vor dem deutschen Überfall auf Polen erfolgte Unterstützung der Legion Condor für den Putschisten Franco, die zunächst äußerst geheimgehalten und als Erfindung der feindlichen Propaganda bezeichnet wurde . Seit Ende 1936 half so die deutsche Wehrmacht Franco die gewählte spanische Regierung militärisch niederzuringen und machte gleichzeitig wertvolle Erfahrungen für den geplanten Krieg.

Die gegenseitigen “Vergeltungen” nach den erwähnten britischen Angriffen 1940 steigerten sich kontinuierlich, wobei die deutschen Versuche, die Luftherrschaft über England u.a. mit massiven Bombardements von London zu erreichen, scheiterten.
Größere Erfolge erreichen die Briten im Gegenzug aber auch erst, nachdem am 23. Februar 1942 der später äußerst umstrittene Arthur Harris Chef des Bomber Commands wird.
Trotz kritischer Stimmen im eigenen Land werden nun zusätzlich zu gezielten Angriffen auf Industrieanlagen Flächenbombardements gegen Städte durchgeführt. Der in der Folge ständig gesteigerte Luftkrieg erlebte Mitte 1944 eine Abschwächung wegen der Vorbereitung und Durchführung der erfolgreichen alliierten Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944.
Am 21.10.1944 nehmen die US-Amerikanern mit Aachen die erste deutsche Großstadt ein. Um den deutschen Widerstand gegen den weiteren alliierten Vormarsch zu schwächen, wird die Behinderung des deutschen Nachschubes innerhalb des Reiches ein Ziel, das vor allem mit Hilfe der Luftstreitkräfte erreicht werden soll.
In diesem Kontext wird am 7. November 1944 eine verbindliche Zielliste aufgestellt. Dem Bomber Command wurde zugestanden, die umstrittenen Angriffe auf bewohnte Flächen fortzuführen; besonderes Augenmerk sollte nun aber auf Städte mit Bahnanlagen gerichtet werden, um den deutschen Nachschub effektiver zu behindern. Auf dieser Liste stand Gießen und seine Bahnanlagen auf Position 31; das Schicksal Gießens war damit vorgezeichnet.

Kategorie:  Bibliographie
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